Was kommt nach „und wenn sie nicht
gestorben sind, dann leben sie noch heute“?
Gestorben sind sie definitiv. Aber was ist
mit der Zeit dazwischen?
Was passierte zwischen Liebe und Tod?
Ewigem Glück und kalter Holzkiste? Freude und Leid? Das weiß keiner so genau.
Wären Aschenputtel und ihr Prinz moderne
Menschen, würden sie zusammen in einer Wohnung leben und sich, aufgrund des
Jobs, den beide hoffentlich haben, nur abends sehen und dann ihren Tag im
Schnelldurchlauf passieren lassen, bevor beide erschöpft in die Federn fallen
um am nächsten Tag wieder munter in die Arbeit zu gehen.
Und damals? Was hatten sich die Gebrüder
Grimm gedacht, wie das Leben weitergeht? Habt ihr euch nie gefragt, was
passiert, wenn die Vorhänge zugezogen, die Hochzeit gefeiert und die Hexe
verbrannt ist?
Ich sage euch was passiert! Das Leben!
Das, was jeden passiert und wovor sich
keiner retten kann – außer er ist tot und dann macht das Leben auch keinen Spaß
mehr, weil man keines mehr hat.
Der Prinz macht seine wichtigen Arbeiten:
regieren, jagen und anderen Bauernmädchen nachstellen – eben das, was er auch
schon vor Aschenputtel getan hat, denn sonst hätte er sie ja nie kennengelernt
;) Aschenputtel für ihren Teil macht Stickarbeiten, geht im Schloß spazieren
und besticht die Knappen des Prinzen damit sie ihr genau Auskunft über die
Flirtversuche des Prinzen geben ;) Wenn der Prinz dann völlig ausgepowert nach
Hause kommt um seiner geliebten „einzigen“ Prinzessin (klar, er kann ja nur
eine heiraten) dann von seinem „schweren“ Tag zu berichten, weiß diese schon
genau, dass die einzige Schwierigkeit darin bestand, der Gänsemagd einen Kuss
abzulocken. Sie mustert ihn genau und hebt dann an zu einer ordentliche
Standpauke, die sich der Prinz natürlich nicht geben lassen muss, weil er ja
der Prinz ist und schwingt sich auf sein Pferd um in das dunkle Land zu reiten
und während er die Gänsemagd begattet, bereut Aschenputtel ihren kalten Keller
gegen diesen einfältigen und untreuen Prinzen eingetauscht zu haben. Von nun an
geht der Prinz nur noch zum Gänseflittchen und Aschenputtel besticht des
Prinzen Knappen damit sie nicht erzählen, wer von ihnen in der Zeit bei ihr
innewohnt. DAS ist das Leben!
Oder habt ihr etwa geglaubt, dass
Schneewittchen und ihr Prinzlein den ganzen Tag eng umschlungen
auf dem Kanapee
verweilen und aus dem Fenster starren? Was hat dieser Prinz eigentlich davor
gemacht, während Schneewittchen 7 kleinwüchsigen, alten Männern die Bude gefegt
und sich andauernd Gift in allen Formen und Farben hat andrehen lassen? Was ist
das für einer? Aus welcher Versenkung kommt er? „Schwiegertochter gesucht“ im
Mittelalter? War er vielleicht deswegen so hartnäckig, weil er sonst keine
andere bekommen hat? Ist er der Typ Prinz, der eine Modelleisenbahn besitzt und
den ganzen Tag damit spielt anstatt an den Knöpfen seiner Prinzessin zu drehen?
Und während das frustrierte Schneewittchen sehnsüchtig am Fenster sitzt und
sich hinter die 7 Berge zu 7 ausgehungerten Zwergen wünscht, sitzt der Prinz in
seinem Spielzimmer und lässt Eisenbahnen sausen und bastelt Papierflieger. Auch
DAS ist das Leben!
Und was passiert, nachdem wir unser Happy
End haben? Wir leben bestimmt nicht glücklich bis an das Ende unserer Tage,
denn auch wir leben. Auch wir erleben das Leben. Und das ähnelt leider wenig
einem Märchen. Das Leben ist das, was wir daraus machen.
Und egal was wir machen, hauptsache wir
holen das Beste raus und sind glücklich.
Egal, ob wir nun Aschenputtel oder
Schneewittchen sind. DAS ist das Leben.
Leben wir es.
Bildnachweis:
Die Fotos sind von der Fotografin Dina Goldstein, Capture Photography Festival in Vancouver, Kanada, vom 1. Oktober bis zum 15. November 2013
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