Der gute alte Ticker



Januar 21, 2015

Tagebuch - Zu dick

Zucker ist mein größter Feind. Das weiss ich jetzt.

Jetzt, nachdem ich die letzten Tage so viel davon in mich reingestopft habe, dass mir schlecht ist. Richtig gehend schlecht, wenn ich nur "Zucker" oder "Schokolade" höre. Ich weiß, dass ich es in dem Moment gebraucht habe (Frauen und Mädchen wissen genau, welche Zeit des Monats ich meine), aber nun brauch und will ich das nicht mehr. Schluß jetzt! Ich möchte genauso dem Zucker abschwören (nicht gänzlich, aber ich möchte lernen, Zucker in Maßen zu konsumieren und genießen und nicht in Massen nur der Süße wegen in mich reinzustopfen), wie ich es mit dem Mehl getan habe. Das wird ein hartes Stück Arbeit. Und ich bin schwach. Besonders jetzt im Moment. Ich stehe nicht mehr unter Druck als sonst, fühle mich aber kaputter und ausgelaugter als sonst. Ich strauchel ein bisschen und muss meine Stärke wieder finden. Jeden Tag arbeite ich ein Stücken mehr daran, aber bis jetzt sehe ich noch kein Licht am Ende des Tunnels.

Gestern habe ich mich wieder mal dabei erwischt dass ich gedacht habe "dazu bist du zu dick - nicht gut genug" und ich habe mich gefragt, warum ich das noch immer denke, obwohl es nicht der Fall ist und auch nie war (Ehrlich jetzt, es gibt kein "zu dick" oder "zu schlecht" für irgendwas - solche Sätze zerstören Träume bei vielen, die zum Erreichen einfach nur einen kleinen Schubser brauchen. Auch bei mir). Ich erinnerte mich an das erste Mal, als ich das hörte.

Wir schreiben das Jahr 1998. Ich war 14 und machte mir zu diesem Zeitpunkt noch keine Gedanken, ob ich für irgendwas oder irgendwem zu dick sein könnte. Klar, habe ich wahrgenommen, dass es Mädchen gab, die schlanker waren (was ich auch schön fand) und obwohl ich viel gehänselt wurde, fühlte ich mich aber deswegen nicht gleich schlechter oder fett. Ich stand mit einem Kumpel vor der Schule. Er wurde von vielen Mädchen angehimmelt, auch fand ihn sehr süß, aber ich wollte nichts von ihm. Wir verstanden uns recht gut und so wählte er mich aus um mich über einen Neuzugang in unserer Klasse auszuheulen. Wie toll sie ist und so weiter. Und plötzlich fiel dieser Satz: "Mit dir würde ich gerne gehen, weil du cool bist - wenn du nicht so dick wärst"

Obwohl ich grinste fing in meinem Kopf ein ganzes Bergwerk zu rattern an, was das denn nun bedeuten soll. Ich wäre zu dick? Zu dick, dass man mich außerhalb einer kumpelhaften Beziehung gern haben kann? Und das sagte mir ein Kumpel, der mich cool fand....ABER? Nicht das ich was wollte von ihm und vielleicht gerade aus dem Grund weil ich dachte dass er mich anders bewertet, hat mich dieser Satz getroffen und begleitet mich bis heute. Damals schon find ich an, ständig zu hinterfragen, ob ich zu bestimmten Dingen nicht zu dick bin. Ich trug keine schönen Mädchensachen mehr, weil ich zu dick dazu war. Ich ging nicht aus, weil ich dazu zu dick war. Ich wollte mich nicht schminken, weil ich auch dazu zu dick war. Ich war auch zu dick für eine schöne Frisur oder zu dick um einen bestimmten Typen anzusprechen. Ich war zu dick für die Theatergruppe und ich war zu dick für Konzerte oder Kinobesuche. Ich begann mich abzuwerten und mich für alles zu ungenügend zu halten und machte bestimmte Dinge einfach nicht.

Quelle: www.mademyday.cc
Jetzt im Nachhinein und mit 15 Jahren unterschied komme ich mir ein bisschen blöd vor, aber auf der anderen Seite ist genau das noch immer ein großes Problem, welches mich begleitet und welches ich seitdem noch nicht abschütteln konnte. Ich habe noch nicht gelernt, dass ich eben nicht zu dick für etwas bin. Ich habe noch nicht gelernt zu sagen "Das habe ich verdient". Wahrscheinlich auch, weil das andere viel leichter ist zu sagen und weniger enttäuscht. Dabei fällt mir auf, dass ich trotz allem nie von Enttäuschungen verschont blieb. Sie waren dennoch da. Sie werden immer da sein. Egal wie ich lebe. Ob ich es mir gönne oder nicht, irgendwann kommt wieder ein Rückschlag - so wie bei jedem anderen Menschen auch. Die Frage ist allerdings immer, was man daraus macht und ich glaube, ich habe langsam nicht mehr die Lust dazu, für mich alles zu dick und zu ungenügend zu halten. Ich will jetzt auch mal dran kommen!

Und ich hoffe, dass ich in den entsprechenden Situationen, dann auch so denke und vorpreschen kann, wie ich es mir hier und heute wünsche....

Nein, ich bin nicht zu dick um schlank und schön zu sein. Ich bin nicht zu dick um begehrt zu werden und ich bin definitiv nicht zu dick um ich zu sein!

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Das hat mich jetzt ein bisschen in meine vergangenheit zurueckversetzt.
Das macht einen echt schon traurig, schade das ich auch frueher immer so ueber mich gedacht habe... und heute tu ich es auch immer noch ab und zu leider v.v

Sophie minus 50 hat gesagt…

Dein Post berührt mich sehr. Deine Worte und Gedanken sind mir (leider) sehr vertraut...
Es ist so traurig, dass unbedachte Worte eines anderen solche Gefühlslawinen in uns auslösen können.
Du hast schon so viel geschafft, für mich bist du ein Vorbild. Und ich bin mir sicher, dass du irgendwann dein neues Selbstbild leben und spüren kannst.
Wir sind alle liebenawert, egal wie viele Kilos wir haben.
LG

Unknown hat gesagt…

Ich finde es immerhin mutig, dass du darüber sprichst und dich äusserst.. das finde ich gut und so bin ich sicher, dass du dich heute nicht mehr so fühlen musst!